Reiseliteratur: Die Welt von Zuhause entdecken |
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Die Reiseliteratur, eine Gattung der prosaischen Literatur, ist mit dem Reiseroman verwandt. Diese Art der Literatur lässt sich in mehrere Bereiche untergliedern, nämlich den Ratgeber und die Anleitung zum Reisen ( auch Apodemiken genannt), den Reiseführer und die Reiseberichte. Die Reiseliteratur soll natürlich in erster Linie von den Reiseerlebnissen des Autors berichten, diese schildern und die Landschaft in den fernen, für den Leser schier unerreichbaren, Gebieten beschreiben. Jedoch kommt es vermehrt dazu, dass die Autoren ihre eigene Phantasie mit in den Text einfließen ließen. Ein Beispiel hierfür wäre zum Beispiel „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift1.
Portrait des Autors Jonathan Swift und Titelblatt seines Romans "Gullivers Reisen"
Daher bewegen sich diese Berichte oftmals zwischen Realität und Fiktion. Trotzdem werden diese Berichte als aktuelle und auch zuverlässige Auskunftsquelle verwendet. Die Reiseliteratur ist eng mit der Dichtung verbunden und mit einigen Elementen der Fabel durchsetzt2. Sie beginnt in den letzten Jahren von der geographischen Fachliteratur abgelöst zu werden, welche nicht auf die topographische Beschreibung, sondern auf die politische und ökonomische Aktualität der „Reiseziele“ Wert legte. Zu den schon bekannten Arten der Reiseliteratur kamen in jüngster Zeit noch der Seeroman hinzu, der nach dem berühmten Roman "Robinson Crusoes Leben und seltsame Abenteuer" Daniels Defoes schon jetzt Robinsonaden genannt werden.
Daniel Defoe
Defoe gilt aufgrund der Bekanntheit seines Werkes als Begründer dieser Gattung, neben ihm mußaber auch Tobias George Smollett3 genannt werden, dessen "The expedition of Humphry Clinker" leider nicht in unserer deutschen Sprache zu lesen ist.
Tobias George Smollett
Die Gründe und somit auch die Ziele der Reisen, und dadurch auch letztendlich der Literatur an sich, sind selbstverständlich sehr unterschiedlich. Neben den traditionellen Reisegründen begannen sich immer neue zu etablieren. Traditionelle Gründe für Reisen waren natürlich an erster Stelle die Pilgerreisen. Diese Reisen führten die Reisenden zu nahe gelegenen Wallfahrtsorten, nach Rom oder sogar ins Heilige Land. Die Ziele der Berichterstattung einer solchen Reise lagen wohl darin, den Menschen diese Reisen näher zu bringen.
Traditionelle Pilgerreise nach Santiago de Compostela
Eine weitere sehr wichtige Art der Reise war die Studienreise( Peregrinatio academica). Studenten ziehen von Universität zu Universität, besuchen Fachgelehrte und Sammlungen der Universitäten und Orte, an denen praktische Folgen der Wissenschaft anschaulich geworden sind, z.B. bedeutende Bauten.
Aufbruch zur Kavalierstour |
In diese Studienreisen wird auch das Studium der Natur mit einbezogen, ein Beispiel zeigt das Gedicht „Die Alpen“ von Albrecht von Haller.
Albrecht von Haller
Ein anderer traditioneller Reisezweck war die Kavalierstour. Sie dienten zur Ausbildung von jungen Adeligen, welche bei diesen Reisen Europa entdecken wollten und an ausländischen Höfen Vervollkommnung suchten. Im Allgemeinen beschränkten sich diese Reisen auf eine ausführliche Rundreise durch Italien4. Diese Art der Reise wurde in unserem Jahrhundert zunehmend von bürgerlichen Personen nachgeahmt.
Badereise - Die nächsten Reisenden kommen an
Die Badereise hingegen ist eine der Reisearten, deren Stellenwert gegenwärtig immer mehr zunimmt. Bei der Badereise geht es auch darum, eine besondere medizinische Versorgung zu erfahren, das medizinische Baden und gesellschaftliches Leben zu genießen. Die Badereise wird von den Ärzten empfohlen, da die Abwechslung einer Reise ihrer Meinung nach gegen Gebrechen und Modekrankheiten heilend wirkten. Weitere Ziele dieser Reise waren das Vergnügen, die Selbstbildung und die Erweiterung des eigenen Horizontes . Hierin sind die Anfänge der Bildungsreise zu sehen. Zwei weitere Arten des Reisens sind die wissenschaftlichen Expeditionen, welche aus dem Forschungsinteresse unseres Zeitalters hervorgeht, und die Handelsreise, welche immer häufiger unternommen wird. Seitdem verfassen nun auch Naturforscher und Expeditionsteilnehmer Reiseliteratur, welche eine bedeutende Stellung einnimmt.
Titelblatt einer der ersten Expeditionsbeschreibungen
Auch die Bildungsreisen werden heute zunehmend Gegenstand von Beschreibungen: Diese Art der Reiseberichte ist aber eher in einer poetisch-gefühlvollen Art verfasst. Ein Beispiel für diese Gattung der Reiseberichte stellt Laurence Sternes „Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien“ dar, welches vor zwei Jahren verfasst wurde. Es
bleibt also zu sagen, dass die Reiseliteratur die Ziele hat, die Menschen
zu unterhalten, sie zu bilden und sie möglichst selbst zu einer Reise zu
bewegen. Natürlich sind diese Berichte und Romane auch ein Ersatz für
die bedauernswerten Teile unserer Bevölkerung, die sich eine solche Reise
nicht leisten können. Dirk Siepe |
Anmerkungen der Herausgeber des Nachdrucks:
1 vgl. Baasner/Reichard, Reiseliteratur.- In: Epochen der deutschen Literatur. Aufklärung und Empfindsamkeit, Stuttgart 2000 (CD-Rom)
2 Brockhaus multimedial 2000
3 Microsoft Encarta Enzyklopädie 2001
4 vgl. Baasner/Reichard, Reiseliteratur.- In: Epochen der deutschen Literatur. Aufklärung und Empfindsamkeit, Stuttgart 2000 (CD-Rom)
Albrecht von Haller, Die Alpenentstanden 1729, in Auszügen |
Titelkupfer zu Hallers "Die Alpen" |
[...] „Sobald
der rauhe Nord der Lüfte Reich verlieret Wenn
kaum die Lerchen noch den frühen Tag begrüßen Wann
der entfernte Strahl die Schatten dann verlängert [...] |
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Anmerkungen
Ein klassisches Beispiel für die Reiseliteratur ist das Gedicht „Die Alpen“ von Albrecht von Haller, welches der umfangreichste Text in Hallers Band „Versuch Schweizerischer Gedichte“ (1732) ist Der Text beschreibt eine Wanderung Hallers durch die Gebirge seiner heimatlichen Schweiz. In dieses Gedicht ließ Haller all seine tiefempfundenen Empfindungen und wissenschaftlichen Kenntnisse dieser Reise mit einfließen. In diesem Gedicht stellt Haller als erster die bedrohliche und gefährliche Gebirgswelt als eine positive Erfahrung da. Neben den naturwissenschaftlichen Beobachtungen der Reise bringt Haller kulturkritische |
Reflexionen mit ein, indem er den Kontrast zwischen den moralisch bedenklichen Städtern und den „guten Wilden“ der Bergwelt herausstellt. Auf den Höhen, so meint Haller, sei ein ursprüngliches und unverdorbenes Leben möglich, während das leichte Leben der Städter Zeit für Ausschweifungen lasse. Die heimatliche Umgebung der Schweizer Alpen wird hier mit sachlicher Präzision erfasst, wobei das Spektrum der Berichte von den Gebirgsketten über die Gebirgsformation bis hin zur Tier- und Pflanzenwelt reicht. Bei all den Neuigkeiten in Hinsicht des Stils, bringt Haller formal keine Neuerungen ein. Die langen Alexandriner-Strophen behandeln die einzelnen Themenbereiche in ausführlicher Form und lässt so wenig Fragen offen.5 Dirk Siepe |