Barthold Hinrich Brockes

Barthold Hinrich Brockes wurde am 22.9.1680 in Hamburg geboren. Als Sohn eines Kaufmanns wuchs er in einer relativ wohlhabenden Patrizierfamilie auf. Als Brockes 14 Jahre alt war, starb sein Vater und ließ der Familie einen großen Besitz zurück.

In seiner Jugend genoss Brockes eine gute Erziehung und wurde trotz seiner hanseatischen Herkunft höfisch erzogen. So wurde ihm unter anderem Unterricht in der Reit- und Fechtkunst erteilt. Dieses Leben im Luxus verursachte dann aber auch, dass er im Jahr 1698 durch Kleiderkäufe in Geldnöte geriet. Dadurch war er gezwungen, eine bereits angesetzte Reise nach Wien und Prag ausfallen zu lassen.

In seiner Kindheit wurde Brockes von Privatlehrern unterrichtet. Erst im Jahr 1696 besuchte er das lateinische Johanneum und später das Gymnasium in Hamburg.

Ab 1700 studierte Brockes Jura in Halle. Die Stadt galt damals als Mekka der Galanten und Zentrum der Naturrechtslehre. Sein Praktikum absolvierte er am Reichskammergericht in Wetzlar im Jahr 1702. Brockes Plan, sein Studium in Genf fortzusetzen, konnte aufgrund von Wirren im Zusammenhang mit dem Spanischen Erbfolgekrieg nicht realisiert werden. Stattdessen reiste er über Nürnberg, Oberitalien und Rom nach Paris und nach einiger Zeit von dort aus nach Amsterdam. Durch den Tod seiner einzigen noch lebenden Schwester hatte er keine Gelegenheit mehr, den englischen Hof zu besuchen, um dort sein Glück zu machen, und kehrte am ersten Adventssonntag im Jahr 1704 nach Hamburg zurück.

In den nächsten 15 Jahren versuchte er, als Privatmann zu leben. Doch sah er ein, das er sich nicht vollkommen zurückziehen konnte, und bot daher den einflussreichen Familien Hamburgs und dem Rat der Stadt seine poetischen Dienste an. Auch war er

auf die Gelder der Interessenten angewiesen, da er nicht ausschließlich vom Erbe seines Vaters leben konnte. Diese Art der Dienstleistung ist seit dem Jahr 1708 in den Akten der Stadt verzeichnet. 1714 heiratete er Anna Lehmann, aus der Ehe gingen 12 Kinder hervor.

Im Jahr 1715 gründete er mit einigen anderen Hamburger Bürgen die „Teutsch-übende-Gesellschaft“ die für die Förderung der Literatur und Sprache eintrat. Im selben Jahr veröffentlichte er eine Übertragung von Giambattista Marinos „Bethlehemitischen Kinder Mord“.

Zwischen 1721 und 1748 erschien die Gedichtsammlung „Irdisches Vergnügen in Gott bestehend in verschiedenen aus der Natur- und Sittenlehre hergenommenen Gedichten“. Diese Gedichtsammlung zeigt Brockes Weltanschauung. Er tritt mit dieser Sammlung den Beweis an, dass die von Gott geschaffene Welt die beste aller Welten ist. Gleichzeitig haben die Gedichte auch etwas Lehrhaftes, da er die Natur so darstellt, wie er sie sieht, weshalb die Gedichte in dieser Zeit als Lehrgedichte genutzt werden.

Die „Patriotisch Gesellschaft“, die er im Jahr 1724 ins Leben rief, war sogar mit einer eigenen Fraktion im Rat der Stadt vertreten. Von dieser Gesellschaft wurde die Moralische Wochenschrift „Der Patriot“ herausgegeben, für die Brockes 23 Beiträge schrieb.

Im Jahr 1628 wird Brockes Stadtrichter und schließlich im Jahr 1630 Landrichter. Eine große Ehre wird ihm zuteil, als er 1733 trotz seiner bürgerlichen Ämter in den Rang eines kaiserlichen Pfalzgrafen erhoben wird. Von 1735 bis 1740 hält er sich Ritzenbüttel auf, um dort die Funktion eines Amtmanns auszuüben. Am 16. Januar 1747 starb Barthold Hinrich Brockes in Hamburg1.

Matthias Kau

Barthold Hinrich Brockes, Kirschblüte bei Nacht

Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
In kühler Nacht beim Mondenschein;
Ich glaubt', es könne nichts von größrer Weiße sein.
Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der kleinste Ast
Trug gleichsam eine rechte Last
Von zierlich-weißen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blätter bricht,
Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
Was Weißers aufgefunden werden.

Indem ich nun bald hin, bald her
Im Schatten dieses Baumes gehe,
Sah ich von ungefähr
Durch alle Blumen in die Höhe
Und ward noch einen weißern Schein,
Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
Fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
Von einem hellen Stern ein weißes Licht,
Das mir recht in die Seele strahlte.
Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
Die größte Schönheit dieser Erden
Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.2

Bei Barthold Heinrich Brockes Gedicht handelt es sich um ein Lehrgedicht. Es wird die Erscheinung eines blühenden Kirschbaumes bei Tag und Nacht beschrieben. Es fällt auf, dass der Dichter viele Bilder benutzt, um Sachverhalte plausibel darzustellen. In der ersten Strophe werden auf diese Weise biologische Tatsachen umschrieben, damit sich der Leser ein Bild davon machen kann, auch ohne auf diesem Wissenschaftsgebiet Kenntnisse zu besitzen. Gleichzeitig wird der Leser auch dazu ermuntert, selbst die Welt zu erforschen, da er sieht, dass sich auch ein gebildeter Mann, wie in diesem Fall der Dichter, solch einfacher Mittel wie der Umschreibung von Gegenständen bedient und nicht unbedingt auf Fachkenntnisse angewiesen ist. In der zweiten Strophe

schreibt der Dichter über denselben Baum, den er jetzt jedoch nichtmehr bei Tage, sondern bei Nacht betrachtet. Statt des Mondes scheint nun die Sonne durch die Baumkrone, wodurch ein neuer Aspekt in das Gedicht mit eingebracht wird. Neben der Schilderung biologischer Tatsachen wird jetzt auch ein theoretisches Element mit eingefügt. Durch die Aussage des Dichters, dass die Sonne imstande ist, die Pracht der Blüten zu übertreffen, soll dem Leser klargemacht werden dass die Schönheit auf Erden nur ein Teil der himmlischen Schönheit ist. Die Sonne als Symbol für das Göttliche und Himmlische lässt einen Teil dieser göttlichen Pracht auf die Erde strahlen und erinnert den Menschen an seinen Glauben.

Matthias Kau

Anmerkungen der Herausgeber des Nachdrucks:

1 Microsoft Encarta 2001

www.bautz.de/bbkl/b/brockes_b_h.shtml

www.ni.schule.de/~pohl/literatur/sadl/aufklaer/brockes.htm

www.garten-literatur.de/Leselaube/brockesk.htm

2 www.garten-literatur.de/Leselaube/brockesk.htm