Die Accademia Della Crusca – Vorbild unserer deutschen Sprachgesellschaften

In den letzten 120 Jahren gab es immer mehr Sprachgesellschaften, reine Männergesellschaften, die versuchten, unsere Sprache zu reinigen. Dieses lobenswerte Vorhaben trug jedoch nicht die erwünschten Früchte, so dass nur einige ihrer Sprachverbesserungen heute akzeptiert sind. Diese Sprachgesellschaften hatten ihr Vorbild in einem wegweisenden Zirkel in Italien, der sich sogar zu einer ganzen Akademie entwickelte, der Accademia Della Crusca aus Florenz, Italien. Sie war das Vorbild für die Fruchtbringende Gesellschaft, die größte und erste Sprachgesellschaft unseres Landes. Sie diente zusammen mit der Accademia als Vorbild für alle Sprachgesellschaften, jedoch erlangen all diese Gesellschaften nie den Ruhm der Accademia Della Crusca in Florenz.

Die Accademia Della Crusca wurde 1582 in Florenz gegründet, und hatte ihren Sitz in der Villa Medicea di Castello, Florenz.

 

Villa Medicea di Castello

 

Anfangs war diese Gruppe nur ein Zirkel von Gelehrten, die sich selbst als „Crusconi" bezeichneten. Mit der Bezeichnung Crusconi (italienisch, „Kleieflocken") versuchten sie ihrer Gesprächsrunde einen scherzhaften Unterton zu geben.

 

Leonardo Salviati

 

 

Ein Jahr nach der Gründung schloss sich auch Leonardo Salviati (L'Infarinato, "Der Gemehlte") den Crusconi an, und gab der Gruppe den Namen „Accademia Della Crusca", kurz Crusca (italienisch, "Kleie") genannt, weil ihre Mitglieder die Sprache und Literatur Italiens wie Kleie und Mehl trennen sollten. Salviati wurde Leiter der Accademia und legte auch deren Struktur fest. Als die Accademia mehr und mehr Mitglieder aufnahm, beschloss Salviati, dass jedes Mitglied ein Alias und ein Motto haben müsse, dass in Verbindung mit Kleie stehe. Um die Symbolsprache weiterzuführen, wurde eine Mehlmühle als Symbol der Akademie auserkoren1.

 

Die Mehlmühle, Symbol der Accademia della Crusca

 

 

Daraufhin wurde 1583 die Akademie offiziell von Francesco I. de’ Medici anerkannt. Hauptaufgabe der Accademia Della Crusca war das Studium und Bewahren der italienischen Sprache. Bei allen Arbeiten der Accademia wurden nicht nur die Werke der großartigen Autoren als verbindlich angesehen, sondern alle Schriften des 14. Jahrhunderts.

Das berühmteste und wegweisende Werk der Accademia war das „Vocabulario degli Accademici della Crusca", der erste lexikalischer Index aller italienischen Wörter. Der Anstoß für dieses Werk kam von Leonardo Salviati (1539 – 1589) persönlich, der ein Wörterbuch schaffen wollte, in dem zwischen dem „Guten und dem Schlechten" unterschieden werden sollte2.

 

Titelblatt des Vocabulario aus dem Jahr 1612

 

 

Hauptquellen des Vocabulario von 1612 waren die aus dem 14. Jahrhundert überlieferten Werke, spätere Epochen und die zeitgenössische Sprache wurde nur selten berücksichtigt, sie wurden von den Mitgliedern der Accademia als unrein angesehen. Die enthaltenen Wörter waren also nur Wörter, die von toskanischen, vor allem antiken Autoren, gebraucht wurden, die sich oftmals von ihren Dialekten loslösten, um die Florentinische Sprache zu verwenden.

 

Hauptsaal der Accademia

 

 

Somit wurden zwar auch Wörter der Umgangssprache mit aufgenommen, jedoch keine Fachbegriffe, was einen Bruch zu anderen didaktischen Werken darstellte, da diese oft nur so von Fachbegriffen aus allen unterschiedlichen Bereichen strotzten.

Trotz aller Bedenken und zahlreicher Kritik war das Wörterbuch sowohl in Italien als auch im Ausland sehr angesehen und wurde als Referenzwerk für die italienische Sprache verwendet, ganz besonders im Bereich der Orthographie, da es das erste Werk war, dass die Schreibweise aller italienischen Begriffe festlegte. Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde vom Streit um das Vocabulario geprägt, so vertraten nicht-toskanische Autoren, zum Beispiel Paolo Beni, Giorgio Ottonelli, Scipio Errico und Allessandro Tassoni, der die Crusca verließ, den Standpunkt, dass die toskanische Sprache nicht durch die Crusca absolutiert werden sollte. Grund für diese Befürchtung gab das Konzept des Vocabulario, denn es war ausschließlich auf den archaischen Sprachgebrauch des Trecento ausgerichtet, und durch den absoluten Anspruch auf Richtigkeit dieses Werkes wurde die weitere Sprachentwicklung eingeengt. Als bei der 2. Auflage (1623) das Grundkonzept nicht wesentlich verändert wurde, wandten sich immer mehr Akademiemitglieder gegen das Wörterbuch.

Jedoch muss berücksichtigt werden, dass es sich beim Vocabulario um eine Richtlinie für den Gebrauch der italienischen Sprache für die soziale Oberschicht und die Führungsschicht handelt. Deshalb setzte sich auch das Wörterbuch in ganz Europa als Leitwerk der italienischen Sprache durch, vor allem aufgrund seiner Einmaligkeit, denn es war das erste große Wörterbuch einer modernen Sprache3.

Christopher Marx

Anmerkungen der Herausgeber desNachdrucks:

1 http://italian.about.com/library/weekly/aa071900a.htm

2 http://ovisun199.csovi.fi.cnr.it/crusca/eng/enghis.htm#inizio

3 www.uni-duisburg.de/FB3/ROMANISTIK/PERSONAL/Burr/Norm/Academia/lecture/Akademien.htm#Crusca