Im April 2002 haben Schüler und Schülerinnen der Stufe 12 des Gymnasiums der Stadt Meschede intensive Recherchen über lange zurückliegende Zeiten durchgeführt. Dabei entdeckten sie ein Exemplar eines "Akademie-Journals" aus dem Jahr 1770.

Es wundert einen schon: Schüler und Schülerinnen des Jahres 2002 interessieren sich für eine Zeit, die vor mehr als 230 Jahren zu Ende ging. Eine Woche lang wollten sie herausfinden, wie die Menschen zwischen 1650 und 1770 ihre Zeit erlebt und verstanden haben, wie sie von den  bahnbrechenden Umwälzungen ihrer Epoche erfuhren und wie sie darauf reagierten. Schon kurz nach dem Beginn ihrer Arbeit stießen die Schüler auf einen Stapel vergilbten Papiers, kaum noch durch seine Bindung zusammengehalten. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Fund als sensationell: Es handelt sich um ein Exemplar einer Zeitung, die im Dezember 1770 gedruckt worden war. Die Druckqualität ist für Verhältnisse des 18. Jahrhunderts offensichtlich gut gewesen, der Durchschuß und die Schriftgröße lassen  bequeme Lesbarkeit zu. Allerdings trägt das Titelblatt kein Frontispiz, jedoch sind die Blätter selbst reich illustriert, teilweise mit colorierten Bildern.  

Ob die Zeitung vollständig erhalten ist, ist zur Zeit noch unklar. Vorhanden ist ein Teil, der sich mit Entwicklung auf dem Gebiet der Mathematik beschäftigt, die gerade in dem Jahrhundert vor dem Erscheinungsdatum der Zeitschrift eine rasante Entwicklung nahm und bahnbrechende Neuerungen aufzuweisen hatte.  Der erhaltene Teil beschäftigt sich mit der Infinitesimalrechnung, der Koordinatengeometrie und der Wahrscheinlichkeitsrechung, stellt aber auch Probleme dar, die bis 1770 noch keiner Lösung zugeführt werden konnten. Ferner gibt es einen recht ausführlichen Teil zur Philosophie und zur Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur. Von Interesse sind auch Beschreibungen des literarischen Lebens der Zeit und einige Blätter, die bedeutende Gelehrte und Schriftsteller vorstellen. Aus letzterem Teil fehlen offensichtlich einige Blätter.

Titelblatt der im April 2002 entdeckten Zeitschrift aus dem Jahr 1770

Der Titel "Mescheder Akademie-Journal" ließ aufhorchen. Niemand hatte bisher überhaupt gewusst, dass zu dieser Zeit in unserer Stadt, die damals ein unbedeutender Provinzflecken war,  eine Akademie existierte, die eine Zeitung mit wissenschaftlicher Thematik herausgab. Zwar wird es sicherlich auch in unserer kleinen Stadt damals den einen oder anderen Gebildeten gegeben haben, doch dass eine solche Zahl existiert haben könnte,  dass eine Akademie unterhalten werden und auch hinreichend Schüler gewinnen konnte, scheint doch zweifelhaft. In einem nächsten Schritt werden sorgfältige Untersuchungen über diesen Gegenstand erforderlich sein, der jetzt nur Rätsel aufgibt und bestenfalls Spekulationen zuläßt, an denen sich seriöse Wissenschaftler besser nicht beteiligen sollten. 

Umso mehr schien es den Schülern richtig und wichtig, in einem ersten Schritt ihre Entdeckung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So präsentieren sie heute einen Nachdruck  dieser Zeitung - der Lesbarkeit halber in modernerer Schrift und mit Anmerkungen und Einleitungen der Herausgeber versehen -, die auf 120 Jahre Geistesgeschichte zurückblickt und sie zusammenfasst. Den Lesern wünschen sie interessante und vergnügliche Lektüre.

Dorothee Ammermann